"Verbrennst Du noch, oder lachst Du schon?"
"Nein, ich bin kein ‚Grüner‘ und auch kein 68er", das stellt Michael Loer, 45, aus Rheinhessen, gleich klar. Im Gegenteil, er sei der Generation Golf entsprungen, für die das Automobil der Gegenwart und der Vergangenheit das gleiche stereotypische Bild darstelle, nämlich der Otto-Motor oder der Dieselmotor. Ein Auto muss "Brumm" machen, schnell fahren, toll ausgestattet sein, Reichweite haben und ja, Beschleunigung - je schneller von 0 auf 100km/h desto besser. "So wurden wir geprägt und haben das bereits als Kinder beim Quartett gelernt", schließlich stachen die stärksten Motoren bei dem Spiel immer die anderen aus, erinnert er sich.
Trotzdem: Der gelernte Betriebswirt fährt mittlerweile überzeugt E-Auto und betont, das sei keineswegs schädlich für das männliche Ego. Im Gegenteil, er hält auch bei der Entwicklung von Automobilen rasante Veränderungen für möglich – ähnlich wie beim Mobiltelefon, bei dem aus einer Kofferbatterie innerhalb von 15 Jahren ein zigarettenschachtelgroßes Speichermedium wurde, leistungsfähiger denn je. Michael Loer ist technisch interessiert und hält die derzeitigen Entwicklungen noch für den Anfang der Elektromobilität, der Zeichen setzt und vor allem zeigt es, dass es auch anders geht - ohne irgendwelche Abgaswerte tunen zu müssen, sondern CO2-frei im Sinne von Kyoto.
Eine lang ersehnte Solaranlage baute sich der Familienvater 2013 aufs eigene Dach. Denn der Gedanke beschäftigte ihn schon eine ganze Weile: Warum soll ich für Strom zahlen und Betreibern von Kohlekraft- und Kernkraftwerken Gewinne bescheren, wenn es eine günstigere und nachhaltigere Lösung gibt? Und dazu ist das Ganze noch wirtschaftlich bei ständig steigenden Strompreisen. Die selbsterzeugte Solarenergie wird zum größten Teil von Familie Loer selbst genutzt.
"Warum machen die Menschen das dann?"
Beim Thema Mobilität hat ihm allerdings die nächste Generation auf die Sprünge geholfen: nach einem Gespräch mit seiner siebenjährigen Tochter über das Atmen der Erde, ihren Schutzschild, die Ozonschicht und letztlich den Klimawandel, Energieproduktion und Konsumverhalten, knüpfte sie Tage später, sichtlich noch mit dem Thema beschäftigt, wieder daran an: "Papa, wenn die Erwachsenen doch alle wissen, dass das alles schädlich für den Menschen und die Welt ist, warum machen die das denn?"
Das machte den Familienvater nicht nur nachdenklich und überrascht, sondern auch emotional betroffen, weil die Suche nach einer plausiblen Antwort schwer fiel. Als Betriebswirt, eher kognitiv getrieben, erinnert sich Michael Loer, dass die Frage bei ihm durch Mark und Bein ging und ihn noch Tage danach beschäftigte: "Ich möchte mich nicht der zahlreichen und berechtigten Fragen nachfolgender Generationen stellen, wie es zwei Generationen vor mir der Fall war: Warum hast Du nichts gemacht? Ihr habt das doch alle gewusst, es steht alles im Web! Warum macht ihr uns krank? Ist euch das alles egal? Alles fürs Geld und den temporären Ruhm? Was seid ihr für egoistische Menschen?"
Aufbruch, Bewegung – mach was!
Und so ging es letztlich relativ schnell: "Denn das Dümmste wäre abwarten, nichts tun und so weiter machen wie schon immer", so Loer. Es sei doch im Jetzt und Hier ein tolles Gefühl, ein kleiner Teil des disruptiven Wandels, zumindest im Ansatz, zu sein. So könne man den Weg bereiten für Nachahmer und die nachkommenden Generationen. Warten bis vielleicht mal was anderes kommen könnte oder die Elektroautos noch günstiger werden, das war für ihn keine Alternative. Aus der Komfortzone herauskommen, das war die Devise und der Entschluss stand: "Für den Stadt- und Nahverkehr schaffen wir uns ein E-Auto an - ideal zum Pendeln zwischen Ingelheim, Heidesheim, Mainz und zur Arbeit nach Wiesbaden." Unterstützung bei der Wahl des richtigen Vehikels gab es bei RaBE, der Bürgerenergiegenossenschaft aus Wackernheim, unter deren Mitgliedern es bereits einige überzeugte E-Mobilisten gab und zudem ein E-Carsharing Projekt seit Mitte 2015 erfolgreich läuft.
Ohne Brumm-Brumm fährt es sich elektrisch:
Nach nur wenigen Kilometern Probefahrt war der Familie Loer klar: Sie haben ein vollwertiges Fahrzeug, geeignet für vier Erwachsene im Gardemaß, mit allem Drum und Dran gefunden. Das war es also, das neue Auto, ganz ohne Brumm-Brumm – dafür ohne CO2 und mit Herz!
Nach ersten Erfahrungen berichtet Michael Loer gern zusammenfassend: Mit ihrem E-Auto komme die Familie ca. 120km weit und das sei für die Alltagsfahrten absolut ausreichend. Der Ladevorgang wird Zuhause vorgenommen und ist über Nacht oder wenn das Auto nicht genutzt wird, ohne Probleme machbar: von leer auf 100 Prozent dauert ein Ladevorgang knapp fünf Stunden. Auch was die Finanzen angeht, wurde rekapituliert; jährlich spart die Familie im Vergleich zu einem vergleichbar großen Benziner über 1000 Euro, vor allem beim Tanken, weniger Verschleißteilen und den Steuern. Dass der Strom dann noch aus der Photovoltaikanlage des eigenen Daches gespeist werden kann, lässt den inzwischen begeisterten E-Auto-Fahrer ins Schwärmen kommen und er schmunzelt: "Verbrennst Du noch, oder lachst Du schon"
In der Zwischenzeit ist Michael Loer übrigens nicht nur überzeugter E-Mobilist, sondern auch als Genosse der RaBE beigetreten, der Rabenkopf Bürgerenergiegenossenschaft.