Beim 5. landesweiten Netzwerktreffen „Innovative Wärmenetze Rheinland-Pfalz“ Ende November tauschten sich rund 50 Teilnehmende zu aktuellen Entwicklungen rund um das Thema Wärmenetze aus.
Moderator Paul Ngahan von der Energieagentur Rheinland-Pfalz, der das Treffen organisierte, ging auf die Bedeutung der Dekarbonisierung im Wärmesektor ein. Dafür sei die Umsetzung und Realisierung von Wärmenetzen ein wichtiger Hebel. Passend zum Thema des Netzwerktreffens sagte er: „Eine noch so gute Planung ist vergebens, wenn man am Ende keinen Betreiber findet.“ Eine kommunale Trägerschaft könne die Lösung des Problems sein , so Ngahan. Kommunen sollen seiner Ansicht nach aktiv dazu befähigt werden, diese Aufgabe zu übernehmen.
Die anschließenden Vorträge gaben praktische Einblicke in ein Nahwärmevorhaben aus kommunaler Hand:
Wärmenetze in Trägerschaft der Werke
Dr. Thomas Rätz vom Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz nannte die Möglichkeiten von Wärmenetzen in der Trägerschaft kommunaler Werke und hob wegen ihres Know-Hows besonders die Wasserwerke hervor. Er stellte mögliche Strukturen und Rechtsformen vor, unter denen kommunale Eigenbetriebe agieren können und zeigte die Unterschiede zwischen Aufgabenübertragung, Aufgabenzuweisung und Aufgabenübernahme auf. Als Grundelemente sollten Anschluss-, Benutzungs- und Entgeltregelungen definiert; außerdem die öffentliche Einrichtung im Sinne des Kommunalrechts geklärt werden. Unter wirtschaftlichen Eckpunkten müsse zumindest eine Kostendeckung evaluiert werden, auch ausreichende Anschlussgrade sollten sichergestellt werden.
Abschließend erläuterte Rätz, dass ein Wärmenetz als ein Teil einer kommunalen Wärmeplanung zu sehen ist und als solches auch in die Bestands- und Potenzialanalyse, das Zielszenario und die Umsetzungsstrategie eingebunden werden sollte.
Kalte Nahwärme im Neubaugebiet der Stadt Selters
Michael Münch von der Transferstelle Bingen stellte die Umsetzung eines kalten Nahwärmeprojekts im Neubaugebiet "Am Sonnenbach" der Stadt Selters im Westerwald vor, welches die Transferstelle maßgeblich unterstützt hatte.
Das Neubaugebiet, das sich derzeit in der Planung befindet, wird zukünftig mittels kalter Nahwärme mit der benötigten Wärme versorgt. Im Laufe der Planung wurden mehrere Versorgungsvarianten kalkuliert, was schlussendlich in der Umsetzung eines kalten Nahwärmenetzes mit zwei Erdwärmesondenfeldern zur Versorgung der 56 Wohneinheiten endete. Die Wärmepumpen in den einzelnen Gebäuden stellen mittels Pufferspeicher und unterstützenden Photovoltaikanlagen auf den Gebäudedächern die Wärmeversorgung im Winter sicher. Das kalte Nahwärmenetz bietet zudem eine Kälteversorgung im Sommer, wodurch sich das geothermische Potential der Erdsonden immer wieder leicht regeneriert und das Netz letztendlich länger betrieben werden kann.
Münchs Fazit: Geothermische kalte Nahwärmenetze optimieren ein Energiekonzept für Neubaugebiete unter den heutigen Rahmenbedingungen; Wärmepumpen werden die dominierenden Wärmeerzeuger im Bestand. Zukünftig werden kalte Netze daher eine bedeutende Rolle in der kommunalen Wärmeplanung einnehmen.
Im dritten Vortrag stellte Achim Linder, Werkleiter der Verbandsgemeinde Selters, die Organisation und Risikobetrachtung des Projekts aus Sicht des kommunalen Eigenbetriebs vor.
Nach einer Machbarkeitsstudie im Jahr 2019 konnte nach vier Jahren mit der baulichen Umsetzung des Projekts begonnen werden. Nach weiteren acht Monaten Bauzeit wurde das kalte Nahwärmenetz im Oktober 2023 fertiggestellt. Nachdem man sich auf einen kommunalen Eigenbetrieb als Rechtsform für den Betrieb des Netzes geeinigt hatte, konnte die Risikobewertung des Projekts beginnen. Hier spielten Eigenkapital, mögliche Belastungen, die eigentliche Aufgabe des Betriebs, die Planungsrechnung und die Auswirkungen eine entscheidende Rolle. Zur Risikominimierung wurde anschließend ein öffentlich-rechtlicher Vertrag geschlossen. Nun konnten die organisatorischen Maßnahmen zur Umsetzung des Projekts betrachtet werden, um anschließend in die eigentliche Planung übergehen zu können. Nach einigen Informationsveranstaltungen für Interessierte sind nach aktuellem Stand schon über 20 der 54 Baugrundstücke reserviert.
Rechtliche Herausforderungen
Im letzten Vortrag wurden von Werner Theis, Rechtsanwalt bei Kunz Rechtsanwälte, die Herausforderungen für Kommunen bei der Planung, dem Bau und dem Betrieb von Nahwärmenetzen vorgestellt. Theis legte dar, warum ein Anschluss- und Benutzungszwang fast nur in Neubaugebieten realisiert werden kann. Im Bestand sind diese nur auf freiwilliger Basis möglich, während bei dem Kauf eines Baugrundstücks von einer Kommune der Anschluss- und Benutzungszwang im Kaufvertrag festgehalten werden kann.
Nach dem Netzwerktreffen ist vor dem Netzwerktreffen
Das nächste - dritte - landesweite Netzwerktreffen „Kommunale Wärmeplanung Rheinland-Pfalz“ findet am 11. Dezember 2023 statt.