Das Thema alternative Antriebe im Straßengüterverkehr nimmt Fahrt auf. Dies ist aufgrund dessen prognostizierten Wachstums - das Bundesverkehrsministerium (BMDV) rechnet mit einem plus von 54 Prozent bis 2051 - auch dringend notwendig. Laut Umweltbundesamt (UBA) entfallen etwa ein Drittel der Emissionen im Verkehr auf den Güterverkehr*.
Bei der Abkehr von fossilen Treibstoffen zeigen sich auch riesige Herausforderungen. Die wichtigsten Hersteller von Lastkraftwagen haben bereits eine Elektrifizierungsstrategie vorgelegt und bieten entsprechende Modelle, auch für die Langstrecke. Noch reagiert der Markt zögerlich. Der Wegfall der Bundesförderungen in diesem Bereich ist für viele Transport- und Logistikunternehmen wegen der hohen Investitionsmehrkosten für E-Lkw schmerzlich spürbar. Noch stärker wird die Verunsicherung in der Branche aber geschürt durch schwankende politische Zielvorgaben und vor allem durch den Mangel an geeigneter Ladeinfrastruktur an Fernstrecken.
Dennoch - die Marschroute ist gesetzt. Hier ein kleiner Überblick zu den aktuellen Entwicklungen:
EU-Vorgaben zu Lkw-Ladeinfrastruktur
Die EU macht mit der neuen "Verordnung über den Aufbau von Infrastrukturen für alternative Kraftstoffe" (AFIR) Vorgaben für Ladeinfrastruktur auf den wichtigsten Fernrouten auf dem Kontinent - auch speziell für den Lastverkehr. So müssen beispielweise bis Ende 2030 beidseitig alle 60 bis 100 Kilometer Ladestationen für E-Lkw und E-Busse entstehen, je nach Route. Zudem sollen bis Ende 2030 mindestens alle 200 Kilometer Wasserstofftankstellen mit mindestens 700 bar entlang des EU-Fernroutennetzes errichtet werden. Für Deutschland bedeutet dies laut electrive.net, dass bis 2025 mindestens 32 öffentliche Lkw-Ladeorte entstehen, bis 2027 104 und bis 2030 mindestens 314.
Ein Lkw-Schnellladenetz für Deutschland
Auch die Bundesregierung hat es sich zur Aufgabe gesetzt, die notwendige Ladeinfrastruktur im Land aufzubauen. Lkw-Schnellladeparks haben spezielle Anforderungen, sei es die Gestaltung der Ladesäulen an sich, die Größe und Ausrichtung der Haltebuchten, der passend dimensionierte Netzanschluss oder die umliegenden Infrastruktur für die Ruhepause. Als Maßnahme im Masterplan Ladeinfrastruktur II wurde das Lkw-Schnellladenetz bereits vor einiger Zeit ins Lastenbuch der Regierung geschrieben. Inzwischen wurden geeignete Standorte identifiziert, und Anfang Juli gab es den offiziellen Startschuss. Im Sommer 2024 folgt zuerst die Ausschreibung an rund 130 unbewirtschafteten Rastanlagen. Parallel prüft die Autobahn GmbH des Bundes die erforderliche Infrastruktur an den Standorten und löst Netzanschlussbestellungen aus. Die Ausschreibung für etwa 220 bewirtschaftete Rastanlagen verzögert sich noch, weil aktuell ein Rechtsstreit zur Ladeinfrastruktur an den Standorten von Tank & Rast läuft. Diese machen etwa 90 Prozent der bewirtschafteten Rastanlagen in Deutschland aus.
Aktivitäten seitens der Industrie
Doch auch die Industrie ruht sich nicht auf dem Status quo aus. Seit Einführung der CO2-Bepreisung in der Lkw-Maut 2023 und mit der Verschärfung der Flottenemissionsregelungen in der EU (für neue Lkw gilt ab 2030 minus 45 Prozent, ab 2040 minus 90 Prozent CO2-Ausstoß im Vergleich zu 2019) ist der Anreiz zum Umstieg auf klimaschonendere Antriebe nochmals gewachsen. Und auch an den Tankstellen sind aufgrund des Emissionshandels steigende Preise für fossile Brennstoffe zu erwarten. Namhafte Hersteller wie DAF, Mercedes-Benz, MAN, Renault, Scania oder Volvo haben bereits Elektromodelle im Angebot. Dabei wird der Umstieg auf das erwartete Megawatt-Charging bei einigen schon durch entsprechende Platzhalter an den Fahrzeugen vorbereitet. Bis dahin laden die Fahrzeuge noch über CCS, der auch für Pkw als Schnellladestandard gilt.
Gleichzeitig preschen einige Logistikunternehmen in Sachen Infrastruktur vor: Statt allein auf die Aktivitäten des Bundes zu warten, haben sie angekündigt Lademöglichkeiten entlang der von Ihnen intensiv befahrenen Strecken zu installieren. Und auch das Depotladen, also vor der Abfahrt oder nach Ankunft beim Kunden, kommt immer häufiger zum Einsatz. Ein aktuell laufendes Förderprogramm für gewerbliche Schnellladeinfrastruktur unterstützt dieses Vorhaben.
Hilfestellung für die Entscheidungsfindung
Unternehmen, die mit dem Gedanken der Elektrifizierung ihrer Nutzfahrzeugflotte spielen, aber noch unsicher sind, erfahren planerische Unterstützung mit dem kürzlich erweiterten Tool "My eroads" des ifeu – Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg. My eRoads nutzt die eingegeben Daten zum Einsatzzweck, der Fahrtleistung und den Standzeiten um daraus Empfehlungen für die Elektrifizierung abzuleiten. Es werden geeignete Fahrzeugmodelle vorgestellt und die Kosten für Anschaffung und laufende Kosten sowie Ladeinfrastruktur abgebildet. Auch die Einsparung der CO2-Emissionen wird berechnet. In Kooperation mit der NOW GmbH hat das ifeu-Institut jetzt neu auch drei gängige Anwendungsszenarien (Verteilerverkehr, Kühlfahrzeug, Fernverkehr) als Beispiele erstellt. Ein jeweiliger Datensatz kann hier abgerufen und direkt ins Tool geladen werden.
Einen Überblick über am Markt erhältliche Modelle bietet die Website klimafreundliche-nutzfahrzeuge.de.
Die Lotsenstelle für alternative Antriebe unterstützt Unternehmen in Rheinland-Pfalz darüber hinaus bei individuellen Fragestellungen, bietet Informationen und stellt Praxisbeispiele aus dem Land vor - zum Beispiel im Rahmen einer Online-Veranstaltungsreihe mit der IHK zu den Themen "E-Nutzfahrzeuge" oder auch "Der Weg zum elektrischen Fuhrpark". Hier sind die Aufzeichnungen verlinkt.
*Studie zum umweltschonenden Güterverkehr (UBA, 2024)