Bei der Kooperationsveranstaltung "Neue Wege zur klimagerechten Innenentwicklung" des Referats „Energierecht und Bauleitplanung“ der Energieagentur Rheinland-Pfalz und dem Verband Region Rhein-Neckar wurden aktuelle Trends und Instrumente der Innenentwicklung aufgezeigt, vor allem aber viele gute Praxisbeispiele.
Rund 50 Interessierte nahmen an der Fachveranstaltung am 7. November 2024 in Ludwigshafen teil.
Der Veranstaltungsort war nicht zufällig gewählt: Ludwigshafen ist eine der Städte mit dem höchsten Versiegelungsgrad in Deutschland. Alexander Thewalt, Beigeordneter und Bau- und Umweltdezernent der Stadt Ludwigshafen am Rhein skizzierte in seiner Begrüßungsrede die Herausforderungen, aber auch Lösungsansätze, mit denen die Stadt aktiv gegenlenkt: aktuelle Projekte sind ein Klimaanpassungskonzept, ein Hochwasser- und Starkregenkonzept und die kommunale Wärmeplanung, aber auch an einer Verbesserung des Modal Split, also einer Verlagerung des Individualverkehrs auf andere Verkehrsformen, wird derzeit gearbeitet.
Synergien durch Innenentwicklung und Klimaschutz
Der Flächenverbrauch in Deutschland sei (noch) ungebremst, „die Siedlungs- und Verkehrsfläche nimmt bereits 14 % der Fläche Deutschlands ein“, erläuterte Lukas Weitz von der Energieagentur Rheinland-Pfalz und stellte in seinem Vortrag Strategien dar, wie diesem Trend gegengesteuert werden kann: Mit Hilfe der dreifachen Innenentwicklung, d.h. kompakteren Bauformen im Innenbereich, grün-blauer Infrastruktur und geeigneten Mobilitätsformen lasse sich eine nachhaltige und ökologische Siedlungsentwicklung schaffen, die langfristig kostengünstiger sei und eine höhere Wohnqualität biete.
Olaf Busch, Regionalplaner des Verbands Region Rhein-Neckar stellte ebenfalls klar, dass Siedlungsentwicklung und Verkehr zusammen gedacht werden müssen. Das Ziel, Wohnbauentwicklung kompakter zu gestalten, könne nur gelingen, wenn entsprechende Siedlungskonzepte möglichst nah an kommunale Entscheidungswege herangetragen werden – dies organisiert der Verband im Rahmen des Modellprojekts „MORO Fläche“ beispielsweise durch einen Beirat für flächensparendes Bauen und eine Veranstaltungsreihe zu dem Thema. Zusammenarbeit, Kommunikation und querschnittsorientiertes Denken sieht er als wichtige Bausteine zur Umsetzung dieser Ziele.
Kommune als Vorbild im Klimaschutz
Den Klimaschutz in die städtebauliche Planung zu integrieren und seine Belange bestmöglich zu berücksichtigen stellt für die Kommunen keine freiwillige Option dar, vielmehr sind sie gesetzlich dazu verpflichtet. Dr. Hartmut Fischer, Rittershaus Rechtsanwälte PartmbB, stellte in seinem Vortrag die kaum zu überschätzenden Auswirkungen der heutigen Lebensweise auf den CO2-Ausstoß dar und wie der Gesetzgeber mit entsprechenden Vorgaben im Klimaschutz- und Klimafolgenanpassungsgesetz und den Gesetzen der Länder darauf reagiert hat. Den Kommunen komme bei der Umsetzung der Strategien insbesondere in der Bauleitplanung eine besondere Vorbildfunktion zu.
Allerdings gibt es gerade hier große Umsetzungsdefizite: Michael Braun von der Energieagentur Rheinland-Pfalz äußerte, dass über 90 Prozent der Pflanzgebote auf privaten Grundstücken nicht eingehalten werden – das war das Ergebnis einer Online-Umfrage der Energieagentur zum Thema „Vollzug von umweltbezogenen Festsetzungen in Bebauungsplänen“. Dies verwundert wenig vor dem Hintergrund, dass zwei Drittel der befragten Kommunen angaben, keine Vollzugskontrollen durchzuführen, meist aufgrund von Personalmangel. Da dieses Problem nicht kurzfristig zu beheben sei, stellte der Referent alternative Möglichkeiten vor, wie Kommunen ihre Planungsziele verwirklichen können: Die Sensibilisierung von Bauwilligen durch Beratungs- und Informationsangebote, aber auch Förderprogramme als Anreiz zur Aktivierung der Potenziale in den Ortskernen sowie zur Entlastung von Bauherren und Immobilienkäufern. So betreibt etwa die Verbandsgemeinde Wallmerod im Westerwald seit 2004 das sehr erfolgreiche kommunale Förderprogramm „Leben im Dorf“, durch das in rund 500 Objekten Leerstand vermieden und 496 innerörtliche Grundstücke aktiviert werden konnten.
Auch seitens des Landes stehen Kommunen Fördermittel zur Verfügung, wenn sie den Klimaschutz im Bestand vorantreiben möchten. Henning Schwarting, stellvertretender Leiter der Abteilung „Wiederaufbau und Kommunalentwicklung“ im rheinland-pfälzischen Ministerium des Innern und für Sport informierte über die Programme der Städtebauförderung in Rheinland-Pfalz, die schon 1971 ins Leben gerufen wurde und in den letzten Jahren einen immer stärkeren Fokus auf eine integrierte und nachhaltige Stadtentwicklung richtet. Für die Maßnahmen, die gefördert werden sollen, sind Klimaschutz und -anpassung Pflicht; förderfähig sind neben der „klassischen“ Gebäudesanierung unter anderem auch Straßengrün, Bodenentsiegelung und klimafreundliche Mobilität. Er betonte, dass solche Maßnahmen nicht nur die Klimaresilienz erhöhen, sondern immer auch städtebauliche Qualitäten wie z.B. eine verbesserte Aufenthaltsqualität mit sich bringen.
Erfolgreiche Beispiele aus der Praxis
Bei der Veranstaltung wurden zahlreiche gute Praxisbeispiele von bestehenden Stadtquartieren vorgestellt, die unter Aspekten des Klimaschutzes, der regenerativen Energien und von sozialen Belangen umgestaltet wurden und jetzt eine völlig neue städtebauliche Qualität besitzen.
Eines davon ist das Pfaff-Quartier in Kaiserslautern. Christian Persohn, Geschäftsführer der Ingenieur- und Gutachtergesellschaft Christian Persohn mbH, stellte dar, wie das ehemalige Industriegelände, bei dem noch ein großer denkmalgeschützter Gebäudebestand vorhanden ist, klimaneutral weiterentwickelt wurde. Begleitet durch ein Forschungsprojekt wurden hierfür Technologien im Bereich der thermischen und elektrischen Energieerzeugung entwickelt, zwischenzeitlich haben sich vielfältige Nutzer angesiedelt.
Dr. Philipp Schönberger, Geschäftsführer der EnergyEffizienz GmbH, stellte das Integrierte Quartierskonzept für Ober-Ingelheim vor. Das Gebiet soll unter Einbeziehung der Öffentlichkeit und vorhandener städtebaulicher Konzepte von einem fossil geprägten Quartier in eine grünere Zukunft geführt werden. Neben energetischen Lösungen spielen auch hier Mobilität und Durchgrünung eine wichtige Rolle.
Zusätzlich zu den Fachvorträgen gab es zum Beispiel im Rahmen einer Podiumsdiskussion einen intensiven Austausch dazu, wie Innenentwicklung zu einem nachhaltigen Erfolgsmodell werden kann. Es sei wichtig, sich zu diesem Zukunftsthema stärker zu vernetzen, so der Tenor der Teilnehmerinnen und Teilnehmer.