Rechtssichere Vergabe bei öffentlicher Ladeinfrastruktur: Rückblick auf das Online-Seminar

Foto: Energieagentur Rheinland-Pfalz

Welche Rolle nehmen Kommunen beim Ausbau von Ladeinfrastruktur ein? Was ist für sie beim Aufbau von Ladepunkten im öffentlichen Raum wichtig? Wie sehen die rechtlichen Rahmenbedingungen jeweils aus? Wann liegt eine Beschaffungssituation vor und was gilt es bei Vergaben, Ausschreibungen und Genehmigungsprozessen zu beachten?

Um diese Fragen drehte sich das sechste Online-Seminar in der Reihe "Elektrisch unterwegs", die von der Lotsenstelle für alternative Antriebe Rheinland-Pfalz und der Geschäftsstelle Elektromobilität in Hessen "Strom bewegt" gemeinsam angeboten wird. Nachdem im letzten Seminar die Frage behandelt wurde, welche Handlungsmöglichkeiten Kommunen ganz generell haben um Elektromobilität zu (be-)fördern, ging es diesmal um den Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur. Ein großer Teil des Seminars befasste sich dabei sehr konkret mit rechtlichen Rahmenbedingungen, die Kommunen bei der Vergabe und im speziellen der Ausschreibung von Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum zu beachten haben. Auf dem YouTube-Kanal der Energieagentur Rheinland-Pfalz gibt es eine Aufzeichnung des Seminars

Kommunen beeinflussen den Wettbewerb und damit die Endkundenpreise beim Laden

Maik Hanken von der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur ging in seinem Impulsvortrag auf die „Rolle der Kommunen beim Ladeinfrastrukturaufbau“ ein. Gleich zu Beginn hob er hervor, dass Kommunen einen wichtigen Beitrag zur Marktentwicklung der Ladeinfrastruktur leisteten und eine verantwortungsvolle Aufgabe wahrnähmen. Schließlich läge die faire und transparente Verteilung von Flächen im knappen öffentlichen Raum für unterschiedliche Nutzungen und zwischen einzelnen Wettbewerbern bei ihnen. Tatsächlich hielten sowohl das Bundeskartellamt als auch die Monopolkommission die kommunale Verteilungspraxis für maßgeblich, um Wettbewerb zu schaffen oder zu fördern. 

Das 8. Sektorgutachten der Monopolkomission zeige, dass in Rheinland-Pfalz aktuell wenige Marktakteure das Gros der öffentlichen Ladeinfrastruktur installiert hätten. In der Regel gehe eine Konzentration am Markt mit höheren Preisen für die Verbraucherinnen und Verbraucher einher. Dies wiederum sei hinderlich für die Akzeptanz und damit Verbreitung der Elektromobilität. Kommunen als „Monopolisten“ der öffentlichen Flächen ständen im Wettbewerb der Marktakteure am Anfang. Nur auf halböffentlichen und privaten Flächen allein werde der Bedarf an Laden künftig nicht gedeckt. „Kompetitive Endkundenpreise können nur sichergestellt werden, wenn wirksamer Wettbewerb möglich ist. Das beinhaltet auch die Verteilung kommunaler Flächen“, so Hanke in seinem Vortrag.

Errichtung und Betrieb von Ladeinfrastruktur berührt mehrere Rechtsmaterien

Der zweite Fachvortrag des Seminars wurde von Dr. Jan Deuster von CBH Rechtsanwälte beigesteuert. Bei der Vergabe von Ladeinfrastruktur sind laut Deuster diverse Rechtsbereiche von Bedeutung, neben dem Vergaberecht als solches auch das Straßen- und Wegerecht, das Kartellrecht und das EU-Beihilfenrecht. Da der Markt sich dynamisch entwickele, sei auch die Rechtsprechung in diesem Bereich noch nicht abgeschlossen – an einer genauen Betrachtung der spezifischen Situation vor Ort gehe kein Weg vorbei.

Rechtsformen der Erlaubnis und Kartellrecht

Deuster machte früh klar, dass der Betrieb von Ladesäulen prinzipiell nicht Teil der kommunalen Daseinsvorsorge sei. Vielmehr sei es eine Aufgabe des Marktes, diese Leistung zu erbringen. Anbieter seien dabei aber auf die Erlaubnis durch die Kommunen angewiesen, sei es durch eine Gestattung, eine Konzession oder einen direkten Auftrag. Eine Verpflichtung zum Betrieb und Mitgestaltungsrechte könnten Kommunen nur durch die letzten beiden Varianten im Rahmen eines Vergabeverfahrens erwirken, wobei beim Auftrag das wirtschaftliche Risiko bei der Kommune liege. Die Gestattung in Form einer Straßennutzungserlaubnis dürfe nur an straßenrechtliche Belange wie zum Beispiel die Sicherheit oder den Verkehrsfluss geknüpft und keinem Anbieter aus Wettbewerbsgründen untersagt werden. Auch dürfe in diesem Modell keine Begrenzung der potenziellen Ladesäulen vor Ort vorgenommen werden. 

Aus kartellrechtlichen Gründen empfahl Deuster zudem ein politisch legitimiertes Konzept über die Gestattungsleitlinien. Allein schon aus diesem Grund seien reine In-House-Vergaben an kommunale Betriebe als schwierig einzustufen, unabhängig von den Vorgaben durch den Entflechtungsparagrafen im Energiewirtschaftsgesetz. Inzwischen, so Deuster, häuften sich die Fälle in denen Marktakteure Beschwerde bei den Kartellbehörden einlegten, wenn sie sich von einer Kommune benachteiligt fühlten.

Vorgaben durch das Vergabe- und das Beihilfenrecht

Aktuell gebe es noch kein „Best Practice“ im Vergaberecht für die Konzession oder den Auftrag für öffentliche Ladeinfrastruktur, antwortete Deuster auf eine entsprechende Anfrage. Dennoch empfahl Deuster den teilnehmenden Kommunalvertreterinnen und -vertretern, den Weg der Vergabe einzuschlagen. Denn aufgrund der Knappheit des öffentlichen Raumes schreibe die EU-Dienstleistungsfreiheit auch bei bloßen Gestattungen ein neutrales und transparentes Verfahren zur Auswahl von Betreibern vor – analog zu den kartellrechtlichen Vorgaben. Dies erfordere auch eine öffentliche Bekanntmachung. So oder so werde die Kommune daher in den meisten Fällen in einem vergaberechtlichen Verfahren landen. Hier müsse wie üblich unterschieden werden zwischen Verfahren oberhalb der EU-Schwellenwerte und unterschwelligen Verfahren, da hier jeweils andere Rechtsgrundlagen greifen. 

Ebenfalls beachtet werden müsse das Beihilfenrecht, ergänzte Deuster. Plane eine Kommune in den Markt des Ladeinfrastrukturgeschäfts einzusteigen, indem sie zum Beispiel per Dienstleistungsauftrag Zuschüsse für die Errichtung an einen Betreiber zahle, müsse sie zuvor per Markterkundung feststellen, dass diese Leistung nicht auch ohne öffentliche Gelder durch andere Anbieter erbracht werde.

Unterschiedliche Voraussetzungen erfordern individuelle Antworten – die Lotsenstelle unterstützt

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es kein pauschales Vorgehen beim Ausbau von öffentlicher Ladeinfrastruktur gibt, sondern ein genauer Blick auf die örtlichen Gegebenheiten notwendig ist. Eine individuelle Einstiegsberatung bietet die Lotsenstelle für alternative Antriebe Kommunen kostenfrei an, Interessierte können sich wenden an: elektromobilitaet[at]energieagentur[dot]rlp.de  
Dies ersetzt jedoch keine Rechtsberatung.

Angebote der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur

Auch die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur unterstützt mit unterschiedlichen Angeboten die Kommunen bei der Beförderung von Elektromobilität. Maik Hanken präsentierte das FlächenTOOL, das StandortTOOL und das LadelernTOOL, die jeweils unterschiedlichen Anwendungszwecken dienen. Über das FlächenTOOL kommen Flächenbietende und -suchende miteinander in Kontakt, in etwa wie auf einem digitalen Marktplatz. Das StandortTOOL ermöglicht einen Blick auf bestehende Ladeinfrastruktur vor Ort und prognostiziert künftige Bedarfe. Modul 4 des LadelernTOOLs dreht sich um die Vergabe von öffentlicher Ladeinfrastruktur. All diese Instrumente können Kommunen zur Vorbereitung und während der Ausschreibungen nutzen. In Aussicht stellte Hanken zudem Leitlinien und Muster für kommunale Ausschreibungen. Diese sollen im Laufe des ersten Halbjahres 2024 erscheinen.

Themenverwandte Aufzeichnungen der Reihe „Elektrisch unterwegs“

Wen interessiert, welche Handlungsmöglichkeiten Kommunen darüber hinaus haben, alternative Antriebe vor Ort zu etablieren und deren Nutzung zu befördern, dem sei ein Blick in die Aufzeichnung des fünften Seminars in der Reihe „Elektrisch unterwegs“ empfohlen. Das vierte Seminar hatte sich mit der Elektrifizierung des kommunalen Fuhrparks beschäftigt.