Viele blühende Oasen im urbanen Siedlungsraum – diese Vision soll in der westpfälzischen Stadt Primasens Wirklichkeit werden. Um das Vorhaben zu beschleunigen und möglichst viele „Mitmacher“ zu gewinnen, entwickelte der Jugendstadtrat eine originelle Idee: Ein Kaugummi-Automat, umgerüstet auf mit Saatgut gefüllte Kapseln, lässt Bürgerinnen und Bürger teilhaben am Einsatz gegen das Insektensterben und für mehr Artenvielfalt.
Quittegelb leuchtet der Bienenfutter-Automat vor dem Rathaus am Exerzierplatz im Herzen der Stadt, nicht zu übersehen. Jan Weimann, Vorsitzender des Pirmasenser Jugendstadtrates, nennt die Aktion „eine sympathische Ergänzung zu den zahlreichen Aktivitäten der Verwaltung für Insekten. Jeder Mensch hat es selbst in der Hand, etwas gegen das Artensterben zu unternehmen“, sagt der 19-Jährige. Der Jugendstadtrat hat die Patenschaft für den Automaten übernommen.
Vielerorts leiden Wild- und Honigbienen sowie Schmetterlinge unter einem zu geringen Nahrungsangebot. Die Folge: Insektenbestände gehen massiv zurück, überall.
Jeder Quadratmeter Grün zählt
Unter dem Titel „Pirmasens blüht auf“ hat die Stadtverwaltung bereits in der Vergangenheit eine breit angelegte Kampagne auf den Weg gebracht: Gemeinsam mit der Bürgerschaft will sie ein blühendes Band mit einem bunten Angebot an Nektar und Pollen durch die „Siebenhügelstadt“ ziehen. Dafür wurde Pirmasens im Herbst mit dem begehrten Gütesiegel „StadtGrün naturnah“ ausgezeichnet. „Auch noch so kleine Blühflächen sind wichtige Nektar-Tankstellen, die zum Erhalt der Bienenpopulation beitragen“, erläutert Grün-Dezernent Michael Maas. Deshalb zähle bei diesem Projekt jeder Quadratmeter neuer Lebensraum.
„Das fängt vor der eigenen Haustür an“, wirbt Jan Weimann für kleine blühende Oasen im Vorgarten oder im Blumentopf auf dem Balkon. Lebensraum für Hummeln, Bienen & Co. zu schaffen, sei kinderleicht. Und darauf soll auch der knallgelbe Automat vor dem Rathaus-Eingang aufmerksam machen. Kunden finden auf dem quietschbunten Kästchen einen QR-Code und kommen so zu Tipps für die Anlage einer Blühwiese und weiterführenden Informationen zum Schutz von Insekten. Verlinkt ist dort auch der soeben angelaufene städtische Pflanzwettbewerb „Pirmasens blüht auf“, zu dem alle Bürgerinnen und Bürger aufgerufen sind.
Möglichst viele Bienenretter
Oberbürgermeister Markus Zwick freut sich besonders über das Engagement der Kinder und Jugendlichen: „Ich bin dem Jugendstadtrat für diese tolle Idee sehr dankbar und wünsche mir, dass ganz viele Pirmasenser zu Bienenrettern werden.“ Denn den Bienen komme eine Schlüsselrolle in der Biodiversität zu, sagt der Verwaltungschef. Der umfunktionierte Kaugummi-Automat sei ein gelungenes Beispiel für Nachhaltigkeit – und ein absoluter Hingucker an prominenter Stelle in der Stadt.
Dessen Bedienung ist einfach, erfordert allerdings ein wenig Kraft: 50-Cent-Münze einwerfen, am Griff bis zum Anschlag drehen und die Mehrweg-Kapsel landet im Ausgabeschacht. Gefüllt sind die durchsichtigen Kugeln mit unterschiedlichem Saatgut. Zur Auswahl stehen zwei Sorten: eine mehrjährige artenreiche Blühmischung für Garten und Brachflächen sowie eine ein- bzw. zweijährige niedrigwachsende Blühmischung, die speziell für Balkon und Kübel geeignet ist.
Kunststoff wird eingesammelt
Ein kleiner Briefkasten neben dem ehemaligen Kaugummi-Automaten dient als Rückgabebox für die Kunststoffkapseln. Den Einsatz von Kunststoff nennt Pressesprecher Maximilian Zwick unvermeidlich, um das Saatgut gegen vorzeitiges Aufquellen zu schützen. Um der Umwelt nicht zu schaden, werden die leeren Kapseln deshalb gesammelt und anschließend von Menschen mit Unterstützungsbedarf von Hand neu befüllt.
Der Erlös aus dem Automaten soll in die Nachbestellung von Saatgut reinvestiert werden. Kooperationspartner des Pirmasenser Jugendstadtrates ist die ehrenamtliche Initiative Bienenretter-Manufaktur, ein Projekt des Frankfurter Instituts für nachhaltige Entwicklung.
Alle wichtigen Informationen zum Bienenfutter-Automaten sowie eine ausführliche Aussaat-Anleitung mit wertvollen Tipps zur Schaffung naturnaher Gärten als Lebensraum heimischer Pflanzen- und Tierarten gibt es auf der Webseite der Stadtverwaltung Pirmasens.
Hintergrund: Nachhaltigkeit in Pirmasens
Nachhaltigkeit steht in Pirmasens hoch im Kurs. Davon zeugen zahlreiche innovative Projekte, mit denen die Siebenhügelstadt bereits bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgt hat und mehrfach prämiert worden ist.
Mit dem Gütesiegel „StadtGrün naturnah“ kam 2020 eine weitere renommierte Auszeichnung dazu (Pirmasens war als eine von 14 Kommunen in acht Bundesländern für die Teilnahme an dem bundesweiten Zertifizierungsverfahren ausgewählt worden). Das Bündnis „Kommunen für biologische Vielfalt“ honorierte damit die Bestrebungen der Verwaltung für mehr Natur in der Stadt sowie den Schutz heimischer Pflanzen- und Tierarten.
Zu der umfassenden Biodiversitätsstrategie zählen neben den insektenfreundlichen Blühoasen Projekte wie „essbare Stadt“ oder die Renaturierung der 15 Hektar großen Talaue des Blümelsbachs.
Best-Practice-Serie "Kommunen Machen Klima"
Klimawandel und Energiewende sind Herausforderung und Chance zugleich. Den Kommunen kommt bei ihrer Bewältigung eine zentrale Rolle zu – sie gestalten mit ihren Entscheidungen, Maßnahmen und Projekten die Zukunft ihrer Bürgerinnen und Bürger. Und sie sind in vielen Fällen Vorbilder beim Einsatz für den Erhalt einer lebenswerten Umwelt.
Eine Reihe von besonders gelungenen Beispielen präsentieren wir regelmäßig im Rahmen der Serie "Kommunen Machen Klima": erfolgreiche Projekte, innovative Lösungen, ermutigende Erfolge, Chancen für die Zukunft. Alle zwei Wochen, immer dienstags, finden Sie einen neuen Beitrag auf der Seite "Kommunen Machen Klima" – verbunden mit der Hoffnung, dass die vorgestellten Taten möglichst viele Nachahmer finden werden. Denn der interkommunale Austausch kann Klimaschutz, Energiewende und eine klimaangepasste Entwicklung beflügeln. Kurz: Nachmachen ist ausdrücklich erwünscht!
Auch diese „Best-Practice“-Serie ist eine Gemeinschaftsaktion. Sie wird getragen von Landkreistag, Gemeinde- und Städtebund, Städtetag und der Energieagentur Rheinland-Pfalz, unterstützt vom Kompetenzzentrum für Klimawandelfolgen.