Bürger-Energie-Genossenschaften bringen Erneuerbare dezentral voran
Bürgerenergie für die Energiewende!
Wie kann der Einzelne aktiv zur Energiewende beitragen und sich am Ausbau Erneuerbarer Energien beteiligen? Warum nicht die Kräfte bündeln und gemeinsam etwas auf die Beine stellen - beispielsweise über eine Bürgerenergiegenossenschaft. Was genau eine solche Genossenschaft ausmacht und welche Projekte damit umgesetzt werden, erklärt Dr. Verena Ruppert, Geschäftsführerin des Landesnetzwerks Bürgerenergiegenossenschaften Rheinland-Pfalz e.V. (LaNEG).
Was genau sind Bürger-Energiegenossenschaften? Wie tragen sie zur Energiewende bei?
Dr. Verena Ruppert: In Bürgerenergiegenossenschaften schließen sich engagierte Bürgerinnen und Bürger zusammen, die den Ausbau Erneuerbarer Energien aktiv mitgestalten möchten. In der Genossenschaft werden gemeinsam Projekte verwirklicht, die ein einzelner nicht stemmen kann und die häufig von kommerziellen Unternehmen als nicht lukrativ genug angesehen werden.
In ganz Rheinland-Pfalz sind zahlreiche Bürgergenossenschaften aktiv. So kann die Energiewende dezentral umgesetzt werden, damit Strom auch dort produziert wird, wo er letztendlich verbraucht wird.
Insbesondere im städtischen Umfeld haben die Menschen oft keine eigenen Flächen, die sie nutzen können, etwa um eine Photovoltaik-Anlage aufs Dach zu bauen. Mit den Bürgergenossenschaften aber hat jeder und jede, egal ob Mieter oder Eigenheimbesitzer, die Möglichkeit, sich an der Energiewende aktiv zu beteiligen und sich mit einzubringen.
Wie haben sich Energiegenossenschaften in den vergangenen Jahren behauptet?
Bei der Realisierung von Windrad-Projekten hatten Energiegenossenschaften von Anfang an einen schweren Stand, denn in der Regel stand der wirtschaftliche Nutzen im Vordergrund und weniger die Beteiligung.
Aus diesem Grund entstand die Idee, eine Arbeitsgruppe aus mehreren Genossenschaften zu bilden, um die Kräfte zu bündeln und gemeinsam mehr zu bewirken. 2012 gründeten dann zehn Energiegenossenschaften und zwei Vereine das Landesnetzwerk Bürgerenergiegenossenschaften Rheinland-Pfalz, kurz LaNEG.
Bei der Photovoltaik hat sich der rechtliche Rahmen in den vergangenen Jahren verkompliziert und verschlechtert, sodass der Aufwand für die Projekte stetig gewachsen ist.
Welche Rolle nimmt LaNEG im Zusammenspiel mit den Genossenschaften ein?
LaNEG vernetzt die Genossenschaften miteinander, sie stärkt sie durch gemeinsames Agieren und macht ihre Arbeit sichtbar. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Wissensaustausch untereinander. Beispielsweise stellen sich den Genossenschaften oft die gleichen Fragen – wenn eine Genossenschaft diese schon für sich beantwortet hat, können die anderen davon profitieren und müssen die Arbeit nicht doppelt machen. Und wir beraten auch Gründungsinitiativen bei der Neugründung von Energiegenossenschaften.
Kurz gesagt, LaNEG versteht sich als Drehscheibe, mit dem Ansinnen, Dinge und Menschen zusammenzubringen.
Wie kann ich Mitglied einer Bürgerenergiegenossenschaft werden?
Interessierte können Mitglied einer Genossenschaft werden, indem sie Anteile an der Genossenschaft erwerben, durchschnittlich beträgt ein Genossenschaftsanteil rund 500 Euro. Meist sind es lokale und regionale Mitglieder, die sich in der Genossenschaft zusammenschließen, im Durchschnitt hat eine Energiegenossenschaft etwa 300 Mitglieder, es gibt aber auch sehr aktive Genossenschaften, die unter 100 Mitglieder haben, aber auch große, mit deutlich mehr Mitgliedern, etwa solche, die bundesweit agieren.
Was ist die Motivation von Gründerinnen und Gründern einer Bürgergenossenschaft?
Die Motivation ist im ländlichen und städtischen Umfeld unterschiedlich: Auf dem Dorf sind die Leute meist miteinander bekannt, bilden eine Gemeinschaft, werden aus dieser Gemeinschaft heraus aktiv und gründen eine Bürgerenergiegenossenschaft. Oft haben sie bereits ein bestimmtes Projekt im Auge, das sie umsetzen möchten, beispielsweise E-Carsharing oder sie möchten auf dem Dach der Schule eine Photovoltaik-Anlage installieren. In der Stadt hingegen sieht es ein wenig anders aus, die Menschen sehen für sich als Einzelperson meist keine Möglichkeit sich an der Energiewende aktiv zu beteiligen. Aber über die Energiegenossenschaften können sie sich einbringen und vernetzen und so an Projekten partizipieren.
Welche Projekte setzen Energiegenossenschaften vorrangig um? In welchen Bereichen liegen die Schwerpunkte?
Bisher handelt es sich meist um Photovoltaik-Anlagen, auch einige Windräder werden von Bürgergenossenschaften betrieben. Wir versuchen, den Genossenschaften auch andere Bereiche nahezubringen. Der Einstieg beispielsweise in den Wärmebereich ist aber recht kompliziert. Dennoch sind einige der mit Stromproduktion gestarteten Energiegenossenschaften nun so weit, dass sie in naher Zukunft auch in die Nahwärmeversorgung einsteigen möchten.
Ein Bereich, der seit zwei, drei Jahren immer mehr Zuspruch erfährt ist das E-Carsharing. E-Carsharing-Angebote, die von Energiegenossenschaften umgesetzt werden, sind in der Regel nicht nur auf die Rendite aus, sondern sind als Service für die Mitglieder und die Menschen vor Ort gedacht. Vor allem im ländlichen Gebiet tun sich Gemeinschaften zusammen und teilen sich Fahrzeuge, da dies für kommerzielle Anbieter oft nicht lukrativ genug erscheint.
Um das Management der Fahrzeuge zu professionalisieren und für die Genossenschaften zu vereinfachen, wurde 2020 die Dachgenossenschaft Vianova gegründet, die Energiegenossenschaften und Mobilitätsgemeinschaften bundesweit bei der Umsetzung von Projekten zur nachhaltigen Mobilität unterstützt, von der App, über die die Fahrzeuge gebucht werden können bis hin zur Abrechnung und einer 24-Stunden-Hotline. Die Genossenschaft vor Ort muss sich dann nur noch um die Projektierung der Standorte und die Teilnehmenden kümmern, die anderen Abläufe werden über die Vianova geregelt.
In Rheinland-Pfalz sind derzeit acht Energiegenossenschaften mit E-Carsharing-Angeboten aktiv, die Mehrheit davon in Zusammenarbeit mit Vianova.
Welche Probleme beschäftigen die Energiegenossen derzeit am meisten?
Vor zehn Jahren mussten sich die Genossenschaften keine Gedanken machen, wie sie den Strom „unter die Leute“ bekommen, da er komplett eingespeist wurde, die Einspeisevergütungen waren damals attraktiv. Das hat sich mittlerweile geändert, oft sind die Gestehungskosten höher als die Vergütung. Heute wird vermehrt das Konzept verfolgt, den Strom vor Ort zu verbrauchen, was ja auch gut und gewünscht ist, denn prinzipiell sollte der Strom dort verbraucht werden, wo er produziert wird.
Auch die immer komplexer werdenden Anforderungen und gesetzlichen Bestimmungen sind für die Energiegenossenschaften ein Hemmschuh. Ein Problem ist auch, dass die Erneuerbare Energien Richtlinie der Europäischen Union von 2018 noch nicht in nationales Recht überführt wurde. Darin sind beispielsweise vereinfachte Genehmigungsverfahren oder auch die Anerkennung von Energiegemeinschaften festgeschrieben. Das würde den Energiegenossenschaften ihre Arbeit erleichtern.
Wie groß ist das Interesse an Energiegenossenschaften in Rheinland-Pfalz derzeit?
In den vergangenen ein bis zwei Jahren gab es mehr Initiativen zur Gründung von Energiegenossenschaften – trotz der bereits genannten Schwierigkeiten. Je drängender das Klimaproblem wird, desto mehr Leute zeigen Interesse und möchten etwas tun. Die geplante höhere Einspeisevergütung wird vermutlich einen starken Impuls geben, denn wenn nachhaltige Stromerzeugung sich wirtschaftlich wieder rechnet, werden mehr Energiegenossenschaften mehr Projekte umsetzen können.
Auch Kommunen und Unternehmen arbeiten beim Umstieg auf Erneuerbare Energien zum Teil mit Bürger-Genossenschaften zusammen. Welche Vorteile haben Kommunen oder Unternehmen davon?
Die Zusammenarbeit mit einer Energiegenossenschaft ist für Kommunen und Unternehmen eine sehr attraktive Art, die Energiewende anzugehen.
Beispielsweise stellt ein Unternehmen das Dach seiner Produktionshalle zur Verfügung, damit die Energiegenossenschaft dort eine Photovoltaik-Anlage installieren kann. Die Energiegenossenschaft bringt das notwendige Know-how mit. Auch die finanziellen Mittel werden von der Genossenschaft eingebracht. Damit entstehen für das Unternehmen weder Investitionskosten noch muss Manpower eingesetzt werden. Das Unternehmen erhält quasi ein „Rundum sorglos Paket“ mit günstigem Strom vom eigenen Dach und kann beispielsweise auch seinen Mitarbeitenden anbieten, sich über die Genossenschaft an der Anlage zu beteiligen.
Welchen Beitrag können Energiegenossenschaften in Bürgerhand – auch mit Blick auf die Zukunft - zur Energiewende leisten?
Energiegenossenschaften bieten die ideale Grundlage für eine breite Beteiligung an einer dezentralen Energiewende. Energiegenossenschaften sind auch von der Anlage her recht flexibel.
Photovoltaik wird natürlich weiterhin einen extrem wichtigen Baustein in den Aktivitäten der Bürgergenossenschaften bilden, denn in diesem Bereich können sie auf ihre Erfahrungen zurückgreifen.
Das Engagement im Wärmebereich ist abhängig von den Rahmenbedingungen, aber was ich mir vorstellen kann, ist, dass Wärme zum Beispiel über Gesamtkonzepte in Quartieren mit einbezogen wird und Energiegenossenschaften daran beteiligt sind.
Welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie für die Bürgergenossenschaften in Zukunft?
Die Bürgergenossenschaften müssen auf jeden Fall breiter aufgestellt werden. Es gilt, jüngere Menschen, Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen aller Gesellschaftsschichten für die Genossenschaften zu gewinnen.
Große Potenziale sehe ich im Energy sharing. Die Menschen können sich dann in ihrer Region zu Energiegemeinschaften zusammenschließen, aber beispielsweise auch Energiegemeinschaften innerhalb eines Hauses bilden. Es ist sehr wichtig, Menschen zu ermöglichen, gemeinsam Strom zu erzeugen, zu verbrauchen und untereinander zu handeln.
Kontakt
Landesnetzwerk Bürgerenergiegenossenschaften Rheinland-Pfalz e.V. (LaNEG e.V.)
Dr. Verena Ruppert, Geschäftsführerin
Telefon: 06131 6939558
E-Mail: info@laneg.de
Info
Das Landesnetzwerk Bürgerenergiegenossenschaften Rheinland-Pfalz e. V (LaNEG) will die Interessen der Bürgerenergiegenossenschaften in Rheinland-Pfalz bündeln und stärken und sie nach außen vertreten. Es fördert den Erfahrungsaustausch untereinander, unterstützt Neugründungen und macht Werbung für den Genossenschaftsgedanken. LaNEG wurde 2012 gegründet und hat aktuell 28 Mitglieder, davon 24 rheinland-pfälzische Energiegenossenschaften. Es wird vom Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität mit Projektmitteln gefördert.