Klimaschutz vor der eigenen Haustür
Wir müssen handeln! So lautet der dringliche Appell des IPCC (Weltklimarat) der Vereinten Nationen zum aktuellen Weltklimabericht 2022. Denn die Situation ist noch dramatischer als bisher angenommen.
Am Klimawandel kommt keiner von uns vorbei. Immer mehr Menschen wollen aber etwas dagegen unternehmen und sich persönlich engagieren.
Was wir selbst vor unserer eigenen Haustür gegen den Klimawandel und für den Schutz von Klima und Umwelt tun können, das möchte die Kursreihe "klimafit" engagierten Bürgerinnen und Bürgern aufzeigen. Die Veranstaltungsreihe wird im Frühjahr an zahlreichen Volkshochschulen in ganz Deutschland in Kooperation mit der Naturschutzorganisation World Wide Fund For Nature (WWF), dem Helmholtz Verbund für regionale Klimaänderungen und Mensch (REKLIM) und der Universität Hamburg angeboten.
So auch an der Volkshochschule in Speyer. Die Speyerer Klimaschutzmanagerin Katrin Berlinghoff erzählt im Interview, was die Teilnehmenden erwartet und was sich die Veranstalter und die Stadt Speyer vom Kurs erhoffen.
Welchen Ansatz verfolgt der Kurs "klimafit"?
Katrin Berlinghoff: Wir möchten über dieses Angebot die breite Bevölkerung ansprechen und die Teilnehmenden dann als Multiplikatoren für den Klimaschutz gewinnen. Ganz wichtig ist uns, dass der Kurs einen sehr starken Praxisbezug bietet. Also weg von der reinen Theorie – die natürlich auch thematisiert wird – aber vor allem geht es um die Frage: Was geht im Klimaschutz auf lokaler Ebene, in meiner Stadt?
Was erwartet Interessenten, die sich für den Kurs anmelden möchten?
"Was kann ich selbst tun, um meiner Stadt beim Klimaschutz zu helfen?" Das ist die Frage, die im Mittelpunkt steht und die in diesem Kurs beantwortet wird. Die Teilnehmenden erfahren in den sechs Terminen mehr über die wissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels und dessen Auswirkungen auf Kommunen. Auch der persönliche Bezug wird direkt mit einer kleinen Aufgabe hergestellt:
Jeder sucht sich eine von 15 Klimaschutzmaßnahmen aus und findet mit Hilfe eines speziellen Programms auf der "klimafit challenge"-Internetseite heraus, wieviel CO2 damit eingespart wird. Beispielsweise können die Teilnehmenden ermitteln, was es bringt, wenn man vier Wochen kein Fleisch konsumiert.
Der direkte Austausch mit Experten steht ebenso auf dem Programm wie Tipps zu Energie, Mobilität und Ernährung. Und es stellen sich lokale und regionale Initiativen im Klimaschutzbereich vor.
Klimaschutz ist ja in aller Munde. Wie groß ist das Interesse an diesem Kurs? Und wer wird angesprochen?
Einige wenige Plätze sind noch frei, aber das Interesse ist sehr groß. Das zeigt, dass sich immer mehr Menschen auch persönlich engagieren und mehr über kommunalen Klimaschutz wissen möchten. Wir möchten mit dem Kurs die gesamte Bandbreite der Bevölkerung ansprechen, ob junge oder ältere Menschen, alle sind willkommen. Eine möglichst breite und diverse Gruppe ist optimal, um die Bevölkerung in ihrer Diversität abzubilden und abzuholen.
Wie können sich die Teilnehmenden konkret in den Klimaschutz mit einbringen, wo werden Brücken zum kommunalen Klimaschutz gebaut?
Ein Hauptziel ist die Vernetzung. Es senkt meiner Erfahrung nach die Hemmschwelle, jemanden anzusprechen, wenn man ihn oder sie bereits persönlich kennengelernt hat. Und auch ich als Klimaschutzmanagerin bin bei allen sechs Terminen mit dabei.
Ich sehe darin eine große Chance. Denn so habe ich die Möglichkeit Ehrenamt, Hauptamt und weitere Gruppen besser miteinander zu vernetzen und Kontakte herzustellen. Wenn beispielsweise ein Teilnehmender sich gerne im Bereich Energie mit einbringen möchte, dann kann ich, sobald bei mir Energiethemen aufkommen, die eine Beteiligung möglich machen, diese Person ansprechen und eine Mitarbeit vermitteln.
Welche Effekte erwarten Sie als Klimaschutzmanagerin von diesem Kurs?
Ich erhoffe mir, dass die Bürgerinnen und Bürger ein größeres Verständnis für Klimaschutz-Maßnahmen entwickeln und dieses auch weitertragen, mit Mitmenschen darüber sprechen, dass sich Freude für neue Entwicklungen ergibt und das Thema immer breitere Kreise zieht. Denn mein Eindruck ist, dass fast alle Menschen Klimaschutz befürworten und Handeln fordern.
Aber Veränderungen sind auch oft mit Ängsten verknüpft. Das zeigt sich häufig, wenn ganze konkrete Maßnahmen vor der eigenen Haustür umgesetzt werden. Dann entsteht zum Beispiel eine Gegenwehr, wenn der öffentliche Parkplatz wegfällt, weil dort eine Grünfläche oder Fahrradwege geschaffen werden. Die Sorge ist etwa: "Dann finde ich keinen Parkplatz mehr". Und tatsächlich muss man vielleicht 200 Meter laufen.
Es könnte aber genauso der Gedanke kommen: "Okay, im Alltag bewege ich mich sowieso zu wenig, dieser kurze Fußweg tut mir ja eigentlich gut." Veränderungen haben auch viel Positives. So wie wir uns zum Beispiel ans Auto gewöhnt haben, können wir uns sicher an die Vorteile von weniger Autos gewöhnen und weniger Lärm und mehr Platz auf Straßen für andere Nutzungen genießen.
Wir möchten, auch mit dem Kurs, ein Bewusstsein schaffen, Ängste nehmen und erreichen, dass die Menschen offener sind für Neues und statt Skepsis die Motivation und Freude daran überwiegt.
Wie passt dieses Angebot zu den Klimaschutzaktivitäten der Stadt Speyer?
Vom Ansatz und Zeitpunkt her passt der Kurs sehr gut, da wir in Speyer gerade unser Klimaschutzkonzept überarbeiten. Und dazu brauchen wir die Bürgerinnen und Bürger ganz dringend. Wir möchten kein Expertengremium, das zwar tolle Ideen entwickelt, die dann aber nicht umsetzbar sind, weil sie von den Menschen nicht angenommen werden. Wir möchten die Speyerinnen und Speyrer direkt mit einbinden und Akzeptanz schaffen.
Und mit dem Kurs haben wir die Möglichkeit, unmittelbares Feedback zu erhalten und wir sehen, wo noch Hürden sind, die es zu überwinden gilt. Wir möchten also mit dieser Art von Bildungsarbeit die Menschen einbinden, um das bestmögliche Ergebnis fürs Klima, Speyer und natürlich die Bürger zu erzielen.
Ihr Fazit lautet…
Die explodierenden Energiepreise sind greifbar, sie sind akut, begegnen uns allen täglich und werden deshalb sehr intensiv wahrgenommen. Die globale Klimakrise an sich ist aber oft nicht greifbar und dann wird die Dringlichkeit weniger wahrgenommen.
Der Kurs bietet eine tolle Chance, das Thema auf den Tisch zu bringen und die Bürgerschaft verstärkt in die Prozesse einzubinden. Nur so kann es gelingen, ein besseres Bewusstsein für Klimaschutzmaßnahmen zu schaffen, die von einer möglichst breiten Bevölkerung nicht nur mitgetragen, sondern vorangetrieben werden.
Kontakt
Katrin Berlinghoff, Klimaschutzmanagerin Stadt Speyer, Tel.: 06232 14 2596, E-Mail: katrin.berlinghoff@stadt-speyer.de
Info: VHS Speyer
Die Volkshochschule der Stadt Speyer zählt laut eigener Homepage "zu den sieben größeren Volkshochschulen in Rheinland-Pfalz. Mit ihrem Weiterbildungsangebot von jährlich über 500 langfristigen Kursen, 80 Vorträgen und 25 Studienreisen erreicht sie mehr als 10.000 Teilnehmende pro Jahr."
Best-Practice-Serie "Kommunen Machen Klima"
Klimawandel und Energiewende sind Herausforderung und Chance zugleich. Den Kommunen kommt bei ihrer Bewältigung eine zentrale Rolle zu – sie gestalten mit ihren Entscheidungen, Maßnahmen und Projekten die Zukunft ihrer Bürgerinnen und Bürger. Und sie sind in vielen Fällen Vorbilder beim Einsatz für den Erhalt einer lebenswerten Umwelt.
Eine Reihe von besonders gelungenen Beispielen präsentieren wir regelmäßig im Rahmen der Serie "Kommunen Machen Klima": erfolgreiche Projekte, innovative Lösungen, ermutigende Erfolge, Chancen für die Zukunft. Alle zwei Wochen, immer dienstags, finden Sie einen neuen Beitrag auf der Seite "Kommunen Machen Klima" – verbunden mit der Hoffnung, dass die vorgestellten Taten möglichst viele Nachahmer finden werden. Denn der interkommunale Austausch kann Klimaschutz, Energiewende und eine klimaangepasste Entwicklung beflügeln. Kurz: Nachmachen ist ausdrücklich erwünscht!
Auch diese „Best-Practice“-Serie ist eine Gemeinschaftsaktion. Sie wird getragen von Landkreistag, Gemeinde- und Städtebund, Städtetag und der Energieagentur Rheinland-Pfalz, unterstützt vom Kompetenzzentrum für Klimawandelfolgen.